Es ist ein lauer Sommerabend. Ich sitze mit meinem langjährigen Freund Daniel im Garten. Es ist hier draußen bereits dunkel geworden. Da die Hitze des Tages noch nicht angefangen hat abzukühlen, schmeckt unser kühles Bier sehr gut. Wir führen seit einer halben Stunde ein sehr gutes, intensives Gespräch. Weil das was er gerade ausführt, sehr gut passt, werde ich ihm gleich als erstem überhaupt erzählen, worüber ich in letzter Zeit sehr viel nachgedacht habe: Die Wahrheit tut nicht weh.

Dieses Gespräch fand offensichtlich bereits statt, es ist März und von warmen Sommerabenden sind wir leider noch einige Zeit entfernt. Der Grund, aus dem ich es dennoch sehr genau vor Augen habe, ist der, dass ich erst durch dieses Gespräch formulieren konnte, was vorher eine Mischung aus Gefühl und einzelnen Gedanken war. Erst im Dialog bildete sich für mich aus den fragmentierten Bestandteilen ein rundes Konzept.

Wie ich mit dem, was andere zu mir oder über mich sagen, umgehe, hängt fundamental davon ab, ob ich die getroffene Aussagen für eine Wahrheit oder für eine Unwahrheit halte. Egal ob wahr oder unwahr, das Folgende sollen zeigen, wie man das Gros an potenziellen Kränkungen von Anfang an vermeiden kann.

Warum die Unwahrheit nie weh tut

Sagt jemand etwas zu einem, dass nicht der Wahrheit entspricht bzw. nicht zum Selbstbild passt, dann gibt es aus folgendem einfachen Grund keinen Anlass überhaupt verärgert zu sein: es ist schlichtweg falsch. Und wieso sollte man sich über etwas Falsches überhaupt ärgern?

Ein Beispiel: Sagt jemand zu mir „Es nervt mich, dass du immer alles so negativ siehst.“, dann frage ich mich kurz selbst, ob das so stimmt. Weder kenne ich diese Eigenschaft an mir, noch beobachte ich sie in neuester Vergangenheit, noch habe ich diesen Vorwurf mehrmals zuvor gehört. Es stimmt also tendenziell nicht. Zu letztgenanntem noch ein Hinweis: Hört man etwas wiederholt und von unterschiedlichen Leuten, dann dürfte es sich lohnen das eigene Selbstbild zu hinterfragen und in Betracht zu ziehen, dass doch ein Fünkchen Wahrheit darin liegt.

Ich verstehe, wenn schon die bloße Tatsache, dass dieses falsche Bild von einem bei jemand anderem existiert, nervt. Im Umgang damit appelliere ich jedoch an die eigene Empathie. Wie die andere Person zu ihrem falschen Schluss gekommen ist bzw. dazu, einem überhaupt einen Vorwurf zu machen, kann viele Gründe haben. Angefangen von etwas Simplem wie einem schlechten Tag bis hin zu einer sehr reduzierten Wahrnehmung, evtl. sogar ohne den notwendigen Kontext, zählt vieles dazu. Bezogen auf genanntes Beispiel kann es natürlich vorgekommen sein, dass ich etwas negativ betrachtet habe. Woran das lag weiß mein gegenüber aber nicht zwangsläufig. Eine Regel lässt sich dadurch auch noch nicht formulieren. Und evtl. hat es derjenige, der den Vorwurf formuliert, gar nicht selbst bemerkt, sondern nur irgendwo aufgeschnappt.

Um mit Unwahrheiten in Bezug auf meine Person umzugehen, vertraue ich deshalb auf mein Selbstbewusstsein und zeige Verständnis für mein gegenüber.

Wieso die Wahrheit höchstens kurz weh tut

Dreht man das Szenario um und denkt über die Konfrontation mit einer – bis dato vermutlich unbekannten – Wahrheit über sich nach, so gibt es auch hier keinen Grund für eine andauernde Kränkung.

Sagt mir jemand z. B. „Du nimmst dich manchmal viel zu ernst.“ und ich stelle beim Nachdenken fest, dass daran tatsächlich etwas Wahres ist, dann bin ich dankbar. Im ersten Moment mag es schmerzhaft sein, zu entdecken, dass der andere etwas besser über einen wusste, als man selbst. Es mag schmerzhaft sein, festzustellen, dass das eigene Selbstbild nicht ganz korrekt war – was es übrigens nie wirklich ist. Es mag auch schmerzhaft sein, etwas an sich selbst zu entdecken, dass einem nicht hundertprozentig gefällt. Ich finde jedoch, dass daran niemals der andere Schuld ist. Es gibt also ohnehin keinen Grund wütend o. ä. zu sein. Vielmehr ist mein Ansatz dankbar für die neue Erkenntnis zu sein. Den einzigen Schmerz, der jetzt noch da sein könnte, muss ich mit mir selbst ausmachen: mein Selbstbild korrigieren, meine Gewohnheiten ändern, bewusster mit anderen Menschen umgehen. Es ist vieles denkbar.

Letzten Endes gilt auch hier für mich: die Erkenntnis einer neuen Wahrheit – so schmerzhaft sie im ersten Moment sein mag – ist immer wertvoll. Und etwas Wertvolles kann niemals Grund für eine Kränkung sein.


Ist dir aufgefallen, warum ich es nicht „Die Wahrheit tut nie weh“ genannt habe? Wie gehst du mit Kritik um? Was hältst du von dem Konzept, dass die Wahrheit letztlich nicht weh tut? Ich wüsste gerne, was du denkst. Lass es mich in den Kommentaren oder per Nachricht wissen. Bis bald. D.

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